Jedes zweite Kind hat Haltungsschäden

„Der prozentuale Anteil von Haltungsschäden bei Kindern hat sich in den letzten 50 Jahren von 20 auf 40 Prozent verdoppelt“, erklärt Dr. Siegfried Götte. Um Haltungsschäden frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, wurde vom Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie im Rahmen der Aktion Orthofit ein speziellen Vorsorge-Ratgeber entwickelt.

„Unsere Kinder sitzen täglich etwa 8,5 Stunden – in der Schule, beim Essen, bei den Hausaufgaben, vor dem PC und vor dem Fernseher.", warnt Dr. Siegfried Götte. "Darum sollte bereits im Kindergartenalter für ausreichende Bewegung gesorgt werden.“

Doch für aktiven Sport begeistern sich immer weniger Kids, und die Auswirkungen von massivem Bewegungsmangel werden immer deutlicher sichtbar: Jeder Zweite über 30 leidet an Rückenproblemen, jeder Dritte über 40 an Arthrose.

„Für die 4. bis 6. Lebenswoche empfehle ich generell eine orthopädische Säuglingsuntersuchung“, so Prof. Dr. Fritz-Uwe Niethard von der Aachener Universitätsklinik. „Besonders wichtig ist diese umfangreiche Untersuchung der Bewegungsorgane, um eine mögliche Fehlstellung des Hüftgelenks (Hüftdysplasie) oder Fehlentwicklungen der übrigen Bewegungsorgane frühzeitig zu erkennen und entsprechend therapieren zu können.“ Denn vor allem im ersten Lebensjahr kann man viele Schäden noch mit einfachen Maßnahmen erfolgreich behandeln. Ab dem zweiten Lebensjahr wachsen Kinder langsamer und Fehlstellungen können nicht mehr so leicht behoben werden.

Bei Schulkindern ist es häufig die Wirbelsäule, die falsch belastet wird, aber auch Achsfehlstellungen der Beine (O- und X-Bein-Entwicklung) oder Fußdeformitäten bedürfen der besonderen Beurteilung durch den Orthopäden.

Bei der Schuleintrittsuntersuchung prüft der Orthopäde aber auch die allgemeinen physischen Voraussetzungen für den Schulbesuch. Beispielsweise sollten Eltern und Lehrer informiert werden, wenn Kinder körperlich noch nicht in der Lage sind, länger als zwei Stunden ruhig auf einem Stuhl zu sitzen.

„Während der Schulzeit sollten Eltern immer darauf achten, dass ihren Kindern rückenfreundliche Arbeitsmöbel zur Verfügung stehen“, erklärt Prof. Niethard. „Außerdem sollten Schultaschen nicht zu schwer sein und auf dem Rücken getragen werden, damit die Wirbelsäule nicht einseitig belastet wird.“

Zum Ende der Wachstumsphase mit 14 bis 16 Jahren und für die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren empfehlen Orthopäden ebenfalls eine orthopädische Untersuchung. Ein bis dahin unerkanntes Fehlwachstum oder eine möglicherweise unzureichende Knochenentwicklung können dann vom Fachmann rechtzeitig behandelt werden.

Ein Fehlwachstum oder Hinweise auf Bewegungsmangel werden durch gezielte Behandlungsmaßnahmen, adäquate Sportempfehlungen oder auch bei der Empfehlung zur Berufswahl berücksichtigt und damit nicht dem Zufall überlassen. Gerade bei der Berufswahl gilt es, neben der intellektuellen Voraussetzung auch die körperlichen Voraussetzungen zu prüfen.

Mit Hilfe des Vorsorge-Ratgebers finden Sie Hinweise auf mögliche alterstypische Gesundheitsrisiken und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.