Niemand muss durchs Leben humpeln
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Niemand muss durchs Leben humpeln

Der Klumpfuß, im Lateinischen „pes equinovarus“, was so viel heißt wie „nach innen gekrümmter Pferdefuß“, ist eine sehr komplexe Fehlstellung des Fußes. In Deutschland kommt eines von 1.000 Babys mit einem Klumpfuß zur Welt. Richtig behandelt, kann es später dennoch große Sprünge machen.

Jonas kam mit zwei Klumpfüßen auf die Welt. Seine Mutter war zunächst nicht sehr beunruhigt: An dem Kleinen war alles dran, er schrie und strampelte kräftig und fing sofort an zu trinken.

Die Unruhe und die Angst kamen vier Tage später, als Jonas seine ersten Gipsbeinchen bekam. Das Baby schrie aus Leibeskräften, die Mutter versuchte es zu beruhigen, und die Ärzte redeten irgendetwas von einer verkürzten Achillessehne, nicht richtig aufgebauter Wadenmuskulatur und einer Operation, die noch vor Ablauf des ersten Lebensjahres notwendig sein würde.

Als das Baby nackt und mit zwei Gipsen bis zu den Oberschenkeln vor ihr lag, kamen der Mutter die Tränen. Ihr Sohn erschien ihr noch viel zerbrechlicher, als ein Neugeborenes ohnehin ist. Sie wusste nicht, wie sie ihn anziehen und was auf sie und ihr Kind zukommen würde. Und in ihrem Kopf hämmerte die Frage: „Wird Jonas richtig laufen lernen?“

Verschiedene Erscheinungsformen

Der Klumpfuß ist eine komplexe Fußfehlstellung, die aus fünf mehr oder weniger ausgeprägten Komponenten besteht: dem Spitzfuß, dem nach innen verbogenen Fuß, dem nach innen gedrehten Vorfuß, dem nach oben gehobenen inneren Fußrand sowie dem Hohlfuß.

Wahrscheinlich sind mehrere genetisch bedingte Faktoren für das Entstehen eines Klumpfußes verantwortlich. In Europa kommen ein bis zwei von 1.000 Säuglingen mit Klumpfüßen auf die Welt. Jedes zehnte Klumpfußkind hat mindestens ein Elternteil mit dieser Fußfehlstellung. In der Hälfte der Fälle treten Klumpfüße beidseitig auf.

Der Klumpfuß muss nicht unbedingt angeboren sein. Er kann auch in der Folge anderer Grunderkrankungen wie Spina bifida, infantiler Zerebralparese oder anderen seltenen Erkrankungen auftreten.

Da ein Klumpfuß bereits unmittelbar nach der Geburt deutlich sichtbar ist, ist die Diagnose relativ einfach. Je nachdem, wie stark die einzelnen Klumpfußkomponenten ausgeprägt sind, kann der Schweregrad der Fehlstellung bestimmt werden.

Die Einteilung in Schweregrade ist deshalb sinnvoll, weil sie die Wahl der geeigneten Therapieform erleichtert und bei der Bewertung der Behandlungsergebnisse hilfreich ist.

Wenn ein Baby mit Klumpfuß geboren wird, muss es dringend dahingehend untersucht werden, ob es im Bereich der Wirbelsäule, des Beckens und der Kniegelenke noch weitere Fehlstellungen hat, damit eine neuromuskuläre Erkrankung ausgeschlossen werden kann.

Behandlung schon im Säuglingsalter

Wir wissen heute, dass der Klumpfuß im engen Sinne nicht heilbar ist. Durch eine konsequente Behandlung kann jedoch ein kosmetisch ansprechendes und funktionell gutes Ergebnis mit einem sportlich belastbaren Fuß erreicht werden.

Die Therapie muss bereits in den ersten Lebenstagen beginnen, um eine erhebliche Steh- und Gehbehinderung zu vermeiden. Es ist für den kleinen Patienten vorteilhaft, wenn er von Anfang an vom selben Arzt behandelt wird, der ihn und seine Entwicklung sehr gut kennt.

Grundsätzlich ist die konservative nicht von der operativen Therapie des Klumpfußes zu trennen. Der behandelnde Arzt sollte demnach sowohl mit den Prinzipien der konservativen Therapie als auch mit den Möglichkeiten der differenzierten operativen Korrektur vertraut sein.

Von der Dehnung bis zur Operation

Der allererste Behandlungsschritt am Neugeborenen ist die Redression. Darunter versteht man eine korrigierende Dehnung des Fußes. Anschließend wird ein Oberschenkelgips angelegt, der alle zwei bis drei Tage gewechselt wird. Später kann die Behandlung alle ein bis zwei Wochen durchgeführt werden.

Eventuell ist schon nach sechs Wochen ein kleiner operativer Eingriff notwendig, um die Redressionsbehandlung gut weiterzuführen zu können.

Nach ca. drei Monaten beginnt eine krankengymnastische Behandlung. Wenn das Kind schläft, wird der Fuß ruhiggestellt.

Eine Röntgenuntersuchung beider Füße erfolgt nach ca. vier bis sechs Monaten. Dabei wird ausgemessen, in welchem Winkel die einzelnen Fußknochen zueinander stehen. Dem Befund entsprechend entscheidet der Arzt darüber, ob das Kind weiterhin konservativ behandelt werden kann oder operiert werden muss.

Die Entscheidung für eine operative Korrektur des Klumpfußes darf nicht als Scheitern der konservativen Therapie aufgefasst werden, sondern ist nur einer von mehreren therapeutischen Schritten. Nach der Operation muss der Fuß sechs Wochen ruhig gestellt werden. Danach folgen mehrere Monate Krankengymnastikbehandlung und bei sehr schweren Klumpfüßen eine orthopädietechnische Therapie mit Lagerungsschienen.

Die Langzeitergebnisse der Behandlung sind insgesamt durchwachsen. Sämtliche angebotenen operativen Therapien haben ihre Schwachstellen: Manchmal, vor allem bei einseitigen Klumpfüßen, bleibt der betroffene Fuß etwas kürzer – die Schuhe benötigen dann verschiedene Schuhgrößen.

Es kommt auch vor, dass der Unterschenkel verschmächtigt (Klumpfußwade). In seltenen Fällen kann sich später erneut eine Fehlstellung entwickeln, ein so genannter Rezidiv-Klumpfuß, der eventuell auch noch einmal operiert werden muss.

Alles in allem ist ein Klumpfuß heutzutage kein Problem, an dem man sein ganzes Leben zu tragen hat: Wurde der Klumpfuß korrigiert, ist in der Regel keinerlei Einschränkung – nicht einmal beim Sport – zu erwarten. Auch das Tragen von Absätzen – eine für Mädchen nicht uninteressante Frage – ist möglich, allerdings sollte man sich damit bis zum vollständigen Wachstumsabschluss gedulden.

Autor: Dr. Gregor Schönecker, Landshut