Der kindliche Plattfuß
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Der kindliche Plattfuß

Eine der häufigsten Diagnosen beim Kinderorthopäden: der kindliche Plattfuß. Die besorgten Eltern bemerken einen Verlust der Längswölbung, die Fußspitze zeigt nach außen, gleichzeitig knickt der Fuß nach innen. In unterschiedlicher Ausprägung entsteht so das Gesamtbild des „Pes planoabducto-valgus“, wie der Plattfuß in der Fachsprache bezeichnet wird.

Die Füße, auf denen kleine Kinder ihre ersten Schritte ins Leben machen, sind Plattfüße. In aller Regel ist dies ein Übergangsstadium, das keiner Behandlung bedarf, sondern sich von selbst verwächst. Manche Kinder haben allerdings auch im Alter von etwa acht bis zehn Jahren noch Plattfüße. Dann handelt es sich nicht mehr um einen normalen Entwicklungsschritt des Fußes, sondern um eine Fehlstellung.

Die kleinen Patienten haben meist eine allgemeine Bindegewebsschwäche, die sich dann in einem Plattfuß bzw. Knicksenkfuß niederschlägt. Der kompliziert aufgebaute Fußwurzelkomplex, das für die Seitbeweglichkeit des Fußes wichtige untere Sprunggelenk, ist in diesen Fällen vermehrt beweglich.

In einer fachorthopädischen Untersuchung sollten immer erst andere Ursachen für eine derartige Fehlstellung ausgeschlossen werden, etwa knöcherne Verwachsungen einzelner minderbeweglicher Fußwurzelknochen, eine muskuläre Fehlsteuerung (beispielsweise eine leichte Verkrampfung) oder ein schmerzhafter Sehnenansatz des wichtigsten „Anti-Plattfuß-Muskels“ (Musculus tibialis posterior).

Eine große Rolle in der Krankheitsentwicklung des lockeren Knicksenkfußes spielt die Wadenmuskulatur, die oberhalb des Fußes in die Achillessehne einstrahlt. Häufig geht die Überbeweglichkeit des unteren Sprunggelenkes mit einer – oft auf den ersten Blick nicht erkennbaren – Verkürzung der Wadenmuskulatur einher.

Beide Phänomene verstärken sich gegenseitig: Die Wadenmuskelverkürzung verstärkt die Destabilisierung der Fußwurzel; und die Instabilität der Fußwurzel verhindert eine regelmäßige Dehnung der Wadenmuskulatur, wie sie normalerweise durch täglichen Gebrauch gewährleistet ist. Krankengymnastische und einlagentechnische Behandlungsansätze können in derartigen, fortgeschrittenen Fällen nicht mehr ausreichend greifen.

Neue Methode: Arthorise

Es stehen heutzutage differenzierte operative Techniken zur Verfügung, die in Abhängigkeit von Lebensalter, Schweregrad und individuellem Befund gute Ergebnisse erwarten lassen. In sehr ausgeprägten Fällen des lockeren kindlichen Knicksenkfußes kann aus heutiger fußorthopädischer

Sicht ein operativer Eingriff durchaus sinnvoll sein, besonders wenn – meist unspezifische, selten stark ausgeprägte – Beschwerden hinzukommen, beispielsweise schnelle Ermüdbarkeit, „Gehfaulheit“ oder Muskelschmerzen im Unterschenkel. Derartige Korrekturen schwerer Knicksenkfüße sind keine „Schönheitsoperationen“, sondern können Dynamik und Funktion des Fußes verbessern und späteren Überlastungen von Kapsel-Band-Strukturen und Sehnen vorbeugen.

Eine quasi minimal-invasive neuere operative Maßnahme ist die so genannte Arthrorise. Dabei wird im Bereich des unteren Sprunggelenks ein Dübel oder eine Schraube eingesetzt. Die Wirkung besteht zum einen in einer Bewegungsbremsung und damit Stabilisierung des unteren Sprunggelenkes. Außerdem stimuliert das Implantat offenbar die Muskulatur, was zu einer aktiven Aufrichtung des Fußes beiträgt. Bei deutlicher Wadenmuskel-Verkürzung können also bestimmte Muskelanteile leicht verlängert oder entspannt werden.

Das Kind kann den Fuß nach der Operation sofort wieder entlasten. In vielen Fällen ist ein Hartverband für zwei bis vier Wochen erforderlich.

In Südeuropa wird diese Operation bereits seit Jahrzehnten durchgeführt und verläuft in den allermeisten Fällen sehr erfolgreich. Wenn in seltenen Fällen Schmerzen auftreten, kann das Implantat vorzeitig entfernt werden. Das Verfahren ist für Kinder zwischen dem achten bis etwa 13. Lebensjahr geeignet.

Verlängerung des Fersenbeins

Aufwändiger ist die operative Verlängerung des Fersenbeines, die ebenfalls eine Bewegungs-Limitierung des unteren Sprunggelenkes ohne versteifenden Charakter bewirkt. Sie ist auch noch bei Jugendlichen möglich, erfordert jedoch die Entnahme eines Knochenblockes aus dem Beckenknochen. Während das Kind nach einer Arthrorise mit Implantat meist nach einigen Wochen wieder Sport treiben kann – zumindest in einem gewissen Rahmen –, beläuft sich die Heilungszeit bei der Fersenbeinverlängerung auf einige Monate.

Die Ergebnisse sind auch mit diesem Verfahren ausgesprochen gut, das Risikopotenzial ist geringfügig höher. Von Fall zu Fall wird man zusätzlich an der Innenseite des Fußes eine weichteilige Stabilisierung (Kapselplastiken, Sehnenversetzungen) durchführen, um den angestrebten Effekt zu verstärken.

Operateur braucht große Erfahrung

Die Entscheidung zur operativen Behandlung eines schweren kindlichen Knicksenkfußes sollte niemand leichtfertig treffen. Sie erfordert ebenso wie der Eingriff selbst viel Erfahrung seitens des Operateurs. Subtile Kenntnisse der Biomechanik des Fußes und der Prognose unbehandelter und behandelter Fälle sind notwendig.

Die dargestellten Verfahren haben sich jedoch in den vergangenen Jahren in ausgeprägten Fällen sehr bewährt und stellen eine Bereicherung der modernen Behandlungsmöglichkeiten dar. Die meisten Kinder wünschen nach Korrektur eines Fußes den gleichen Eingriff auch auf der Gegenseite – ein deutliches Indiz für eine Funktionsverbesserung.

Herr Prof. Dr. med. Johannes Hamel